Javascript ist deaktiviert!

Leider unterstützt ihr Browser kein JavaScript oder JavaScript ist deaktiviert. Dadurch kann es zu Fehlern in der Darstellung und der Funktionalität der Website kommen.

toggl

Empfehlungen zur Anwendung der Homöopathie in der Rheumatologie

Autoren:

apl. Prof. Dr. Gernot Keyßer (UK Halle (Saale), Prof. Dr. Olga Seifer, Prof. Dr. Andreas Michalsen, Dr. Inna Frohne (UK Düsseldorf), Dr. Mandy Gläß (Rheumaklinik Vogelsang-Gommern), PD Dr. Alexander Pfeil (UK Jena), Prof. Dr. Monika Reuß-Borst (Rheumatol. Praxis Bad Bocklet), PD Dr. Oliver Sander (UK Düsseldorf), Dr. Olaf Schultz (Rheumaklinik Baden-Baden)
- alle für die Kommission 'Komplementäre Heilverfahren und Ernährung‘ 

1. Definition der Methode

Bedeutung des Begriffes: Homöopathie: „ähnliches Leiden“ (altgriechisch homóios, deutsch ‚gleichartig‘, ‚ähnlich‘, und páthos, deutsch ‚Leid‘, ‚Schmerz). Behandlungsmethode der Alternativmedizin, deren Theorie vom deutschen Arzt Samuel Hahnemann (geb. 1755 in Meißen; gest. 1843 in Paris) im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt wurde.

Prinzipien der Homöopathie sind:

  • Das Ähnlichkeits- oder Simileprinzip als wichtigste Grundannahme: „Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden“ (lat. similia similibus curentur): homöopathische Arzneimittel sollen an Gesunden ähnliche Symptome hervorrufen können wie die, an denen der Kranke leidet.
  • Die homöopathische Arzneimittelprüfung an Gesunden, bei der homöopathische Arzneimittel eingenommen und die Symptome protokolliert werden, um Arzneimittelbilder zu erstellen
  • Die Erhebung des individuellen Krankheitsbildes durch homöopathische Anamnese. Bestandteile dieser Anamnese sind Spontanbericht, gelenkter Bericht, indirekte Befragung und biografische Anamnese
  • Das System der Potenzierung: Es beruht auf der Annahme von Hahnemann, dass durch eine Minimierung der Dosis eine Steigerung ihrer Wirksamkeit i.S. einer Freisetzung verborgener dynamischer Kräfte erfolgen könne

Die unter 1.) und 4.) genannten Prinzipien halten einer wissenschaftlichen Nachprüfung nicht stand.

(Nach Linke-Cordes, M, in: Checkliste Komplementärmedizin. Roman Huber und Andreas Michalsen (Hrsg), Karl F. Haug Verlauf Stuttgart, 2014, S. 176 und ff.)

2. Überblick über die wissenschaftliche Evidenz in der Literatur

Die Evidenz für eine Wirksamkeit der homöopathischen Therapie (HT) ist generell schwach [13], Wirkungen werden im Wesentlichen durch Placebo-Effekte erklärt [20]. Cochrane-Analysen zur Wirkung bei respiratorischen Infekten im Kindesalter [7], Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS) [2], irritablem Colon [16], Influenza und Influenza-ähnlichen Symptomen [23] und Demenz [14] fanden keine Effekte, zur HT bei Nebenwirkungen einer Chemotherapie wurden marginale Effekte für zwei Dermatika beschrieben [9]. Ein systematischer Review zur Anwendung der HT in der Dermatologie blieb negativ [21]. In einem der Homöopathie gewidmeten Journal wurde nach Auswertung von über 300 Veröffentlichungen zu homöopathischen Studien mangelhafte Studienqualität konstatiert, der Beweis für eine über Placeboeffekte hinausgehende Wirkung stünde noch aus [12]. Eine Sichtung aller zum Publikationszeitpunkt vorhandenen systematischen Reviews konnte ebenfalls keinen Wirkungsnachweis erbringen [3].

3. Wissenschaftliche Evidenz in der Rheumatologie

Rheumatoide Arthritis (RA):
Zwei frühe kontrollierte Studien mit gleichem Autor beschrieben an kleinen Fallzahlen positive Effekte der HT im Vergleich zu Placebo [5] oder Salizylaten [6]. Die Effektstärke ist von fraglicher Relevanz, die Methodik entspricht nicht heutigen Standards. Eine weitere kontrollierte Studie konnte nachweisen, dass der Effekt einer HT auf das intensive Anamnesegespräch, nicht jedoch auf die homöopathischen Medikamente zurückzuführen war [1]. Eine andere randomisierte, kontrollierte Studie blieb nach drei Monaten ohne Effekt [4]. Zu erwähnen sind zwei Studien, bei denen entweder hochverdünnte Antikörper gegen TNF-alpha [22] oder hochverdünnte inflammatorische Zytokine [8] als potentielle homöopathische Medikamente für die RA beschrieben werden, ohne dass dafür relevante klinische Daten vorliegen würden.

Spondyloarthropathien (SpA):
Eine deutschsprachige Publikation konnte in einer doppelblind-randomisierten Studie keine Wirkung eines homöopathischen Präparates bei Patienten mit axialer SpA nachweisen [19].

Fibromyalgiesyndrom (FMS):
Eine Metaanalyse klinischer Studien zur Komplementärmedizin bei FMS konnte für die HT aufgrund schlechter Datenqualität keine Empfehlung abgeben [17]. Eine deutsche Leitlinienkommission für die Bewertung komplementärer und alternativer Heilverfahren für das FMS erzielte bei der Bewertung der HT keinen Konsens, daher wurde weder eine positive noch eine negative Empfehlung ausgesprochen [11].

Gelenkbezogene Schmerzen:
In einer placebokontrollierten Studie konnten homöopathische Mittel den postoperativen Analgetikaverbrauch nach Kniegelenks-Op nicht reduzieren [15].

Gonarthrose:
In der aktuellen Leitlinie zur Gonarthrose findet sich die Stellungnahme: „Zur Homöopathie bei Kniearthrose kann aufgrund der Studienlage keine Aussage gemacht werden.“ (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/033-004l_S2k_Gonarthrose_2018-01_1-verlaengert_01.pdf)

Weitere rheumatische Erkrankungen:
Eine PubMed-Recherche ergab keine Veröffentlichungen unter den Stichworten „homeopathic“ oder „homeopathy“ und „Lupus“, „Scleroderma“ „Myositis“, „Giant Cell Arteriitis“, „Systemic Vasculitis“ und „Polymyalgia rheumatica“

4. Mögliche Anwendungen in der Rheumatologie inclusive zu erwartender positiver Effekte

Aus den oben genannten Ausführungen ergibt sich, dass für die HT bei entzündlichen Gelenkerkrankungen, autoimmunen Systemerkrankungen und Fibromyalgiesyndrom keine relevanten positiven Effekte zu erwarten sind.

5. Mögliche Nebenwirkungen und Limitationen

Homöopathische Medikamente gelten allgemein als gut verträglich, frei von unerwünschten Effekten sind sie jedoch nicht [18]. Ein nicht unwesentliches Problem bei Anwendung der HT könnte die Verzögerung einer suffizienten rheumatologischen Therapie sein [10].

6. Abschließende Empfehlung der Kommission

Die homöopathische Therapie wird für Patienten mit entzündlichen und degenerativen Gelenkerkrankungen, autoimmunen Systemerkrankungen und FMS nicht empfohlen.

Literatur

1. Brien S, Lachance L, Prescott P et al. (2011) Homeopathy has clinical benefits in rheumatoid arthritis patients that are attributable to the consultation process but not the homeopathic remedy: a randomized controlled clinical trial. Rheumatology (Oxford) 50:1070-1082

2. Coulter MK, Dean ME (2007) Homeopathy for attention deficit/hyperactivity disorder or hyperkinetic disorder. Cochrane Database Syst Rev:CD005648

3. Ernst E (2002) A systematic review of systematic reviews of homeopathy. Br J Clin Pharmacol 54:577-582

4. Fisher P, Scott DL (2001) A randomized controlled trial of homeopathy in rheumatoid arthritis. Rheumatology (Oxford) 40:1052-1055

5. Gibson RG, Gibson SL, Macneill AD et al. (1980) Homoeopathic therapy in rheumatoid arthritis: evaluation by double-blind clinical therapeutic trial. Br J Clin Pharmacol 9:453-459

6. Gibson RG, Gibson SL, Macneill AD et al. (1978) Salicylates and homoeopathy in rheumatoid arthritis: preliminary observations. Br J Clin Pharmacol 6:391-395

7. Hawke K, Van Driel ML, Buffington BJ et al. (2018) Homeopathic medicinal products for preventing and treating acute respiratory tract infections in children. Cochrane Database Syst Rev 4:CD005974

8. Jacques C, Floris I, Lejeune B (2021) Ultra-Low Dose Cytokines in Rheumatoid Arthritis, Three Birds with One Stone as the Rationale of the 2LARTH((R)) Micro-Immunotherapy Treatment. Int J Mol Sci 22

9. Kassab S, Cummings M, Berkovitz S et al. (2009) Homeopathic medicines for adverse effects of cancer treatments. Cochrane Database Syst Rev:CD004845

10. Keysser G (2008) [Outcome of a patient with rheumatoid arthritis treated with homeopathic drugs without DMARD therapy]. Med Klin (Munich) 103:36-37

11. Langhorst J, Heldmann P, Henningsen P et al. (2017) [Complementary and alternative procedures for fibromyalgia syndrome : Updated guidelines 2017 and overview of systematic review articles]. Schmerz 31:289-295

12. Mathie RT (2015) Controlled clinical studies of homeopathy. Homeopathy 104:328-332

13. Mathie RT, Ramparsad N, Legg LA et al. (2017) Randomised, double-blind, placebo-controlled trials of non-individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Syst Rev 6:63

14. Mccarney R, Warner J, Fisher P et al. (2003) Homeopathy for dementia. Cochrane Database Syst Rev:CD003803

15. Paris A, Gonnet N, Chaussard C et al. (2008) Effect of homeopathy on analgesic intake following knee ligament reconstruction: a phase III monocentre randomized placebo controlled study. Br J Clin Pharmacol 65:180-187

16. Peckham EJ, Cooper K, Roberts ER et al. (2019) Homeopathy for treatment of irritable bowel syndrome. Cochrane Database Syst Rev 9:CD009710

17. Perry R, Leach V, Davies P et al. (2017) An overview of systematic reviews of complementary and alternative therapies for fibromyalgia using both AMSTAR and ROBIS as quality assessment tools. Syst Rev 6:97

18. Posadzki P, Alotaibi A, Ernst E (2012) Adverse effects of homeopathy: a systematic review of published case reports and case series. Int J Clin Pract 66:1178-1188

19. Schirmer KP, Fritz M, Jackel WH (2000) [Effectiveness of Formica rufa and autologous blood injection in patients with ankylosing spondylitis: a double-blind randomized study]. Z Rheumatol 59:321-329

20. Shang A, Huwiler-Muntener K, Nartey L et al. (2005) Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet 366:726-732

21. Simonart T, Kabagabo C, De Maertelaer V (2011) Homoeopathic remedies in dermatology: a systematic review of controlled clinical trials. Br J Dermatol 165:897-905

22. Sizova LV (2011) Treatment of early arthritis using arthrofoon (ultra-low doses of antibodies to tumor necrosis factor-alpha). Indian J Pharmacol 43:724-725

23. Vickers AJ, Smith C (2006) Homoeopathic Oscillococcinum for preventing and treating influenza and influenza-like syndromes. Cochrane Database Syst Rev:CD001957